Ich kriege ‘ne Krise! Meine Nerven! Wo zur Hölle ist dieser Scheiß Autoschlüssel schon wieder? In meiner Handtasche? In der Hose von gestern? Im Mantel oder in der Jacke?
Ich habe keine Ahnung. Ich suche ihn. Schon wieder. Wie immer. Den Autoschlüssel nach Gebrauch nicht an einen festen Ort zu legen, ist eine von meinen schlechten Gewohnheiten.
Soweit nichts Besonderes, denn ich bin ein Mensch und “der Mensch ist ein Gewohnheitstier.” Diesen Spruch hört man häufig in Zusammenhang mit Menschen, die Verhaltensweisen an den Tag legen, auf die sie lieber verzichten würden oder häufig, sich selbst zu liebe, verzichten sollten. Einerseits wird ihnen fehlende Willenskraft unterstellt und anderseits geißeln sie sich häufig selbst. Man attestiert sich selbst Unfähigkeit und Schwäche der Willenskraft, mit dem Effekt sich schlecht zu fühlen und die Situation doch nicht verändert zu haben. Und noch viel schlimmer, das Jammern wird zur Routine und damit zur Gewohnheit.
Dabei darf man nicht so hart mich sich ins Gericht gehen. Eine Veränderung von Gewohnheiten ist ein komplexer Vorgang. Willensstärke, wie häufig angenommen, ist nicht ausreichend, um Gewohnheiten zu verändern. Die Annahme” Der Mensch entscheidet aufgrund der vorhandenen Informationen jedes Mal erneut, ist ein Irrtum.” Damit entfällt die Grundlage sich selbst, wegen fehlender Willenskraft, schlecht zu machen.
Willenskraft ist das kleine Kind, das sich mit aller Wucht auf die Erde wirft und schreit, weil es unbedingt etwas haben will. Wie erfolgreich sind Kinder damit? Setzen sie so ihren Willen durch? Bestenfalls nicht. Sei schlau, spare Dir diese Energie und überdenke Deine Gewohnheit. Damit ist der erste wichtige Schritt getan. Wenn man die Spielregeln von Gewohnheiten kennt, ist es möglich diese erfolgreich zu ändern.
Was ist Gewohnheit ?
Bas Verplanken Professor der Sozialpsychologie an der University of Bath definiert Gewohnheit als “Verhaltensweisen, die wir regelmäßig in einem stabilen Kontext ausüben, ohne viel darüber nachzudenken oder abzuwägen. Meist basieren sie auf Entscheidungen, die wir einmal bewusst getroffen haben. Zwischen 30 und 50 Prozent unseres täglichen Handelns werden durch Gewohnheiten bestimmt, Informationen ändern daran so gut wie nichts.”
1. Warum eignen wir uns Gewohnheiten an?
Gewohnheiten sparen dem Körper Energie “Die Konfrontation mit neuen und komplizierten Dingen erfordert Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Konzentration. Das Gehirn strebt darum dannach, alles zu routinieren. Gewohnheiten sind sowohl stoffwechselbiologisch als auch neuronal billig”, sagt der Hirnforscher Gerhard Roth. Aber genau dieser Trick des sparens von Energie macht es uns so schwer, unser Verhalten zu ändern. Denn diese Steuerung liegt in einem Bereich des Gehirns, der nicht bewusst kontrolliert wird.
2. Gewohnheiten halten uns stabil
Das ist ein Vorteil. Wir müssen nicht mehr über Grundlegendes nachdenken. Wir können uns auch in Stresssituationen darauf verlassen, dass wir das Zähneputzen nicht vergessen oder den Weg zur Arbeit finden. Gewohnheiten leiten uns durchs Leben. Ohne sie wäre unser Gehirn überfordert von den Details des Alltags. Die Gewohnheit garantiert uns, dass die Welt und man selbst stabil bleibt.
3. Gewohnheiten entstehen automatisch
Heute ist man der Meinung, dass es eine Art “Handlungsgedächtnis” gibt, in dem alle erfolgreichen Bewegungsmuster abgelegt sind. Gewohnheiten werden durch einen Auslösereiz gestartet und am Endpunkt steht die Belohnung. Dazwischen läuft das Hirn auf Sparflamme und ruht sich aus. Dieser Ablauf gilt für alle Gewohnheiten, egal wie einfach oder komplex sie sind.
Somit entspricht dieser Mechanismus dem klassischen Lernprozess. Es ist eine Wechselwirkung zwischen auslösenden Reiz, Routinehandlung und Belohnung.
Im Laufe eines Lebens sammeln sich etliche Erfahrungen und daraus resultierende Gewohnheiten an. Mit dem Alter nimmt die Zahl der Gewohnheiten zu und somit unsere gedankliche Flexibilität gleichermaßen ab. Eine Einschränkung der Wahrnehmung ist das Resultat.
4. Gewohnheiten sind hartnäckig.
“Gewohnheiten sind kleine Süchte”, sagt Wolfram Schultz , Professor für Neurowissenschaften an der University of Cambridge. Wenn wir die Erfahrung machen, dass ein bestimmtes Verhalten zu einer Belohnung führt, wiederholen wir es möglichst oft.
Der Trick ist, dass das Gehirn das, was es kennt, irgendwann verstärkt. Es schüttet Botenstoffe aus, durch die wir uns besonders wohl fühlen. Belohnung erzeugt ein neuronal verankertes Verlangen, sie verändern das Gehirn.”
Doch wir sind unseren Gewohnheiten nicht hoffnungslos ausgeliefert. Es gibt Wege, ungeliebte oder gar gesundheitsschädigende, Gewohnheiten zu verändern.
Wege die Gewohnheit zu verändern
Die Psychologin Wendy Wood von der University of Southern California hat in vielen Experimenten gezeigt, wie stark wir Situationen mit Handlungen verknüpfen. Das Resultat: Wer sein Verhalten ändern möchte, muss den Handlungsrahmen ändern.
“Wenn wir es schaffen, das Verhalten zu ändern, ändert sich auch das Denken.” - Bas Verplanken
Verlangen erzeugen.
Viele Reize aber können wir oder wollen wir nicht vermeiden. Dazu zählt z. B. die Zigarettenpause. Man raucht gerne noch eine mit, weil die Runde so gesellig ist und man die News aus dem Büro nicht verpassen möchte. Dann hilft nur, zu versuchen, den Reiz mit einer neuen Tätigkeit zu verknüpfen. Damit das klappt, muss man Verlangen nach dieser neuen Tätigkeit erzeugen. Dafür wiederum müssen wir verstehen, was uns zu unserer bisherigen Gewohnheit treibt.
Schwierige Lebenssituationen nutzen.
Besonderes Potenzial bieten die sog. “teachable moments”. Große Verhaltensänderungen hängen häufig mit schweren Krankheiten, Scheidung, Jobwechsel oder einer neuen Bezugsgruppe zusammen - sie geschehen, wenn der Kontext sich ändert. Das Erfolgsrezept: Das gewünschte Verhalten muss mit einem deutlichen Auslösereiz gekoppelt und dann durch Belohnung verstärkt werden.
Große Ziele in kleine Etappen aufsplitten.
Bei großen Zielen hilft es außerdem, sie in kleine Schritte zu unterteilen und diese jeweils zu belohnen. Anstatt einem großen Ziel nach zu eifern, verständigt man mit sich selbst kleine Schritte, für die man sich ebenso kleine Selbstbelohnungen ausdenkt. Dabei soll man die Abstände zwischen den Belohnungen vergrößern und sie in ihrer Art variieren, denn sie sollten nicht zur Gewohnheit und damit nutzlos werden.
10 Punkte, mit denen Du Dir die Macht der Gewohnheit zu Nutzen machst.
1. Analysiere Deine Gewohnheit. Was genau willst Du in Deinem Verhalten ändern?
2. In welchem Zusammenhang oder Rahmen führst Du Deine Gewohnheit aus?
3. Was löst das Verlangen nach Deiner Gewohnheit aus?
4. Wie soll Dein neues Verhalten aussehen?
5. Verstärke Deinen Wunsch nach neuem Verhalten durch Druck von Außen.
6. Koppel Dein neues Verhalten an einen deutlichen Auslösereiz.
7.Überlege Dir eine Belohnung. Die Belohnung muss direkt und konkret sein.
8.Verstärke Dein neues Verhalten durch Belohnung.
9. Wiederhole Dein neues Verhalten regelmäßig und vergrößere die Abstände zwischen den Belohnungen und variiere in den Belohnungen.
10. Das Resultat wird ein neu geformtes, von Dir gewünschtes Verhalten sein,auf das Du stolz sein wirst. Dein Leben wird sich positiv durch die neugewonnene Verhaltensweise verändern und Du wirst es in Zukunft nicht mehr sein lassen können.
Meine Gewohnheit den Autoschlüssel in der Wohnung zu verbummeln, habe ich mit diesem Ablauf in den Griff bekommen. Mir war klar, dass ich den Schlüssel nicht mehr suchen möchte. Ich kam deshalb regelmäßig zu spät zu meinen Verabredungen.
Die Schlüsselablage steht im direkten Zusammenhang mit dem Betreten der Wohnung. Vorher war ich von dem Verlangen getrieben, so schnell wie möglich in meine Freizeitklamotten zu kommen, manchmal war es Hunger oder auch mal Pippi. Also keine Zeit den Autoschlüssel an seinen Aufbewahrungsort zu legen.
Ich möchte meinen Autoschlüssel nicht mehr suchen.
Aber ich wollte nicht mehr beschimpft werden, weil ich zu spät bin. Es war mir auch zu peinlich, mir jedes Mal einen anderen ”Grund” auszudenken, warum nicht ich Schuld an meinem Zuspätkommen habe. Ich möchte keinen Druck mehr von außen, nur weil ich meinen Schlüssel nicht im Griff habe. Verdammt noch mal!
Durch das Aufschließen der Wohnungstür habe ich schon einen Schlüssel in der Hand. Diesen lege ich nun zusammen auf die dafür vorgesehene Ablage, nachdem ich die Haustür geschlossen habe.
Ich lobe mich. Das ich es wieder geschafft habe den Schlüssel abzulegen. Ich erledige alle anderen Bedürfnisse und setze mich für einige Minuten. Manchmal trinke ich einen Kaffee oder Tee oder gönne mir einfach ein paar Minuten Ruhe.
Als Nächstes habe ich vorgesehen, mir einen schönen Schlüsselanhänger zu gönnen und auch eine schöne Schale für die Schlüssel oder ganz altmodisch ein Schlüsselbrett.
Ich trainiere das Verhalten jedes Mal, wenn ich nach Hause komme. Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich an den Schrank trete, der Schlüssel dort liegt und ich ihn einfach nur nehmen kann. Ein großartiges Gefühl und es wird belohnt, dass ich weniger gestresst bin.
Eine Doppelbelohnung sozusagen.
Hierbei handelt es sich natürlich nur um eine kleine Veränderung der Gewohnheit. Aber wenn ich es mit Abstand betrachte, ist es auch ein kleiner Schritt für mein großes Ziel, mehr Klarheit und vor allen Dingen, Zeit für die Dinge im Leben “frei zu machen”, die mir wirklich wichtig sind. Autoschlüssel suchen, gehörte auf jeden Fall nicht dazu!
Probiere es selbst aus und erlebe wie entspannend es ist, leidige Dinge in den Griff zu bekommen.
Ich grüße dich herzliche!
Dein Ernährungs- und Laufcoach
PS.: Jetzt ist immer der richtige Zeitpunkt die Veränderungen vorzunehmen, damit es dir gut geht. Weil du es dir wert bist.
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Dieser Text ist inspiriert von dem Artikel : Mach es anders! aus der Zeit online.